Mächen*cafe GÖRLS Reutlingen

 

Der Deutschen Bundestag stellte in diesem Jahr in einer bewegenden Gedenkstunde Menschen in den Fokus, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bzw. geschlechtlichen Identität im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Auch die Veranstalter*innen des Gedenktages in Reutlingen hoben dies Opfergruppe bei der im Franz K,. stattgefundenen Veranstaltung hervor. Im Verbund mit der evangelischen und katholischen Hochschulgemeinde, sowie weiteren kirchlichen Einrichtungen lud die Arbeitsgruppe Gedenken der Bruderhaus Diakonie zur Mitgestaltung an dieser Gedenkfeier die Jugendlichen des Treffs timout von gÖrls e.V. ein.

15 Jugendliche von timeout verwiesen in verschiedenen Szenarien auf der Bühne vom Gedenken an die queeren Opfer auf die Situation heutiger queerer Menschen, gemäß dem der Aufführung vorangestellten Zitat von Joachim Stein dem Gründer des LBTTIQ Zentrums Weissenburg  in Stuttgart aus seiner Rede vor dem Landtag Baden Württemberg 2019: "Ohne Erinnerung wiederholt man die Vergangenheit und es gibt keine Zukunft für alle".

Zunächst bewiesen die Jugendlichen, als sie in verteilten Rollen die Lebensgeschichte einzelner schwuler und lesbischer Verfolgter vorlasen, dass sie sich intensiv mit den vorliegenden Quellen und Studien beschäftigt haben. Das Projekt der Liebe wegen war mit seinen Inhalten eine der besonderen und genannten Quellen.

Eine weitere sehr bewegende szenische Darstellung brachte die junge, zarte, aber auch unsichere und verängstigende Liebe zweier gleichgeschlechtlicher Menschen auf die Bühne, die umso mutiger und selbstbewusster wird, je offener sie ihre Liebe leben können und je mehr die regenbogenfarbene Community sie unterstützt und ihre Bunten Fahnen schwingt. Ein mutiges Zeugnis von Selbstermächtigung getragen von einer die Vielfalt feiernden Gesellschaft.

Dass es auch heute noch Mut braucht, sich in der Gesellschaft zur eigenen Identität und zu eigenen Gefühlen zu bekennen, drückten die Wünsche aus, die Fürbitten gleich, anschließend von den jungen Menschen vorgebracht wurden.

„Ich möchte in einer Welt leben:

…in er sich nach meinem Outing mein Freunde nicht von mit abwenden

… in der ich in der Schule und im Berufsleben nicht gemobbt werde

.. in der meine Liebe nicht pornografisch abgewertet wird

..  in der ich so angenommen und akzeptiert werde, wie ich bin

Für die ältere Generation war es fast schon erschütternde Erkenntnis des Abends: sind das nicht die gleichen Wünsche, hinsichtlich eines freien und selbstbestimmten Lebens, die wir vor über 30 Jahren nicht schon auf den Lippen hatten, resümierte eine ältere Zuschauerin. Sollte sich die Gesellschaft, in der wir leben, gelitten und gekämpft nicht schon viel mehr verändert haben?

Sicher ist, dass vor dreißig Jahren nicht an ein offizielles Gedenken der aufgrund ihrer Sexualität und geschlechtlichen Identität Verfolgten des Nationalsozialismus auch nur gedacht werden konnte. Um so schöner und bewegender diese Veranstaltung, an der mit Blick ins Publikum, genrationsübergreifend, die unterschiedlichsten Institutionen zusammen mit der jungen queeren Community eine gelungene Kooperation eingegangen sind.

Dieser ergreifende Abend, der von Felix Schäfer und Johanna Riehle musikalisch umrahmt wurde, ging dann auch (viel)stimmig zu Ende, indem alle zusammen in das alte Lied der Befreiungsbewegung „we shall overcame“ mitsangen.

Kerstin Bosse (Projekt Der-Liebe-Wegen) und Heike Kauschinger (gÖrls e.V.)